El Calafate – im Wind Patagoniens und vor dem Perito-Moreno-Gletscher

El Calafate – im Wind Patagoniens und vor dem Perito-Moreno-Gletscher

Kategorie Reiseberichte Datum 05.12.2025 Autor GABI

Weiter nach Süden – unterwegs im patagonischen Wind

Zwei Tage lang fuhren wir weiter Richtung El Calafate.
Begleitet vom Wind. Nicht sanft, nicht beiläufig – sondern kraftvoll, fordernd, manchmal beängstigend. Böen von bis zu 60 km/h drückten gegen Möhre, rissen an ihr, ließen uns aufmerksam bleiben, konzentriert, wach. In Patagonien ist der Wind kein Wetterphänomen. Er ist ein ständiger Begleiter.


Warum es hier immer windet

Warum es hier so sehr windet, erschließt sich unterwegs fast von selbst. Die Landschaft ist offen, weit, nahezu grenzenlos. Endlose Steppen ohne schützende Wälder, ohne Hügelketten, die den Wind bremsen könnten.
Dazu kommen starke Luftdruckunterschiede zwischen dem Pazifik und dem Atlantik: kalte Luftmassen aus dem Süden treffen auf wärmere aus dem Norden. Nichts hält sie auf. Sie rauschen einfach hindurch. Frei. Ungebremst.


Und doch passiert etwas Merkwürdiges:
Je länger man durch diese karge Weite fährt, desto mehr verändert sich der Blick. Was zuerst leer wirkt, wird still. Was eintönig scheint, wird weit. Irgendwann beginnt man, Schönheit in dieser Reduktion zu finden.


Flüsse, Seen und diese unglaublichen Farben

Wir fuhren an Flüssen entlang, die sich ihre Bahn durch diese Landschaft gegraben haben. Wasser als Gegenpol zur Trockenheit. Und immer wieder tauchten Seen auf – ruhig, klar, zurückhaltend.


Ich habe gelernt: Die für uns „normal“ wirkenden Seen und Flüsse bestehen meist aus Regen- oder Schmelzwasser. Süßwasser, klar, fast unscheinbar.

Doch dann diese türkisen Gewässer.
Dieses fast leuchtende Blau, das so unwirklich wirkt.


Die Erklärung ist ebenso nüchtern wie faszinierend: Gletscher schleifen beim Fließen das darunterliegende Gestein zu feinsten Partikeln – sogenanntem Gletschermehl. Diese winzigen Staubteilchen bleiben im Wasser in Schwebe und brechen das Licht so, dass vor allem blaue und türkise Wellen reflektiert werden. Kein Filter. Keine Inszenierung. Reine Naturphysik – und pure Magie.


Ankommen in El Calafate – Tankstellen als sichere Häfen

In El Calafate angekommen, übernachteten wir – wie so oft hier in Argentinien – an einer Tankstelle.
Tankstellen sind hier sichere Orte für Reisende. Man darf bleiben, man wird akzeptiert. Oft freuen sich die Betreiber, wenn man einen Café trinkt oder die Duschen nutzt. Und wenn nicht – ist es auch okay.


Hinter einem großen Gebäude der YPF-Tankstelle fanden wir endlich das, wonach wir gesucht hatten: Windschatten. Ein Geschenk in dieser Region.


Auf dem Weg zum Perito-Moreno-Gletscher

Am nächsten Morgen fuhren wir rund 70 Kilometer weiter in den Nationalpark. Der Eintritt: 45.000 Pesos pro Person, Möhre extra. Kein Schnäppchen – aber schon auf dem Weg dorthin war klar: Das hier ist etwas Besonderes.


Plötzlich war alles grün. Wald. Bäume. Diese wilde, satte Natur, die einem vertraut vorkommt und gleichzeitig zeigt, wie sehr man sie vermisst hat. Es tat gut, wieder etwas zu sehen, das an Zuhause erinnert – und man merkt dabei auch, wie schön es dort ist, wo man herkommt.


Erste Begegnung mit dem Eis

Der Weg führte immer am See entlang. Und dann trieb plötzlich etwas im Wasser.
Ein Stück Gletscher, abgebrochen, langsam weitergetragen. Wir hielten es zuerst für eine Attrappe. Werbung vielleicht. So unwirklich war dieses Blau. So fremd. So schön.

Naiv, wie wir waren.

Je höher wir fuhren, desto mehr Aussichtspunkte tauchten auf. Wir hielten an – und dann sahen wir ihn.
Den Perito-Moreno-Gletscher.

Unfassbar.
Überwältigend.
Still und laut zugleich.


Der Perito-Moreno-Gletscher – ein besonderer Gigant

Der Perito-Moreno-Gletscher ist einer der bekanntesten Gletscher der Welt – und zugleich einer der ungewöhnlichsten. Er ist Teil des südpatagonischen Eisfeldes, eines der größten Süßwasserreservoirs der Erde außerhalb der Polarregionen.


Was ihn so besonders macht:
Im Gegensatz zu vielen anderen Gletschern gilt er als relativ stabil. Über Jahrzehnte hinweg zeigte er kaum Nettoverlust – weshalb er oft als „der Gletscher, der nicht schmilzt“ bezeichnet wird.


Doch genau hier entstehen die widersprüchlichen Aussagen auf den Schildern.


Tatsächlich ist es so: Der Gletscher bewegt sich ständig vor und zurück. Er wächst, bricht ab, zieht sich zurück – ein natürlicher Kreislauf. In den letzten Jahren jedoch zeigen auch hier Messungen Veränderungen. Nicht dramatisch wie bei anderen Gletschern, aber spürbar. Der Perito Moreno ist kein unberührter Ausnahmefall – er reagiert ebenfalls auf klimatische Veränderungen.


Was bleibt, ist dieser Moment:
Zu wissen, dass man Zeuge eines Systems ist, das lebt. Und sich verändert.


Mit dem Boot ganz nah dran

Wir hatten Glück und ergatterten einen Platz auf einem Schiff, das direkt an den Gletscher heranfährt.
Die Sonne kämpfte sich immer wieder durch die Wolken – und mit jedem Lichtstrahl veränderte sich die Farbe des Eises. Blau in allen Nuancen. Tief, hell, milchig, fast transparent.


Solche Blautöne hatte ich noch nie in meinem Leben gesehen.


Bis zu 70 Meter hoch erhebt sich der Gletscher aus dem Wasser – eine Dimension, die man erst begreift, wenn man direkt davorsteht.


Ich hatte einen regelrechten Fotoflash. Wollte festhalten, bewahren, einfangen – und wusste gleichzeitig: Kein Foto kann das wiedergeben. Nicht dieses Gefühl. Nicht diese Größe. Nicht dieses Staunen.


Wenn man begreift, warum Natur Schutz braucht

Direkt davor zu stehen und zu begreifen, wie unfassbar schön – und zugleich verletzlich – diese Welt ist.
Solche Momente erklären ganz leise, warum es so wichtig ist, die Natur zu schützen. Nicht aus Pflichtgefühl. Sondern aus Ehrfurcht.


Abschied mit Wehmut

Später fuhren wir weiter zu den Aussichtspunkten und Stegen. Jeder Blickwinkel zeigte einen anderen Gletscher. Mal wuchtig, mal filigran, mal still, mal bedrohlich. Wir konnten uns kaum losreißen.


Doch um 18 Uhr schließt der Nationalpark.
So sehr man bleiben möchte – die Zeit entscheidet.


Also fuhren wir zurück.
Wieder zur Tankstelle.
Wieder in den Windschatten.


Mit Bildern im Kopf, die bleiben.
Und dem Gefühl, etwas gesehen zu haben, das man nicht vergisst.

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Aktueller Standort der Freiheitsliebe-Reise – unterwegs mit dem LKW Möhre auf großer EntdeckungstourIrgendwo zwischen Traum und Abenteuer, auf den Straßen der Freiheit. Mit meinem treuen LKW entdecke ich atemberaubende Landschaften, begegne spannenden Menschen und lasse mich von neuen Kulturen inspirieren. Die Welt ist groß, und jede Reise birgt unzählige Geschichten, die nur darauf warten, erzählt zu werden.

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