Wo der Wind bleibt und das Eigene beginnt

Wo der Wind bleibt und das Eigene beginnt

Kategorie Reiseberichte Datum 12.12.2025 Autor GABI

El Calafate – Wind, Weite und ein Ort für Durchreisende

Wir blieben noch ein paar Tage in El Calafate, direkt am See, nicht weit von der Stadt entfernt. Der Blick auf das Wasser war schön – weit, klar, kalt. Der Wind gehörte von Anfang an dazu. Konstant, manchmal lästig, manchmal einfach nur da. Dass er uns noch lange begleiten würde, war uns zu diesem Zeitpunkt nicht wirklich bewusst.


El Calafate selbst wirkte auf mich wie ein typischer Touristenort, fast ein Wintersportdorf ohne Skipisten: viele Restaurants, Cafés, Bars – und unzählige Läden mit Dingen, die man nicht braucht, aber offenbar kaufen soll. Alles funktional, alles auf Durchlauf ausgelegt. Für viele sicher perfekt. Für mich blieb es ein Ort zum Ankommen, nicht zum Bleiben.


Historisch ist El Calafate übrigens noch jung. Erst in den 1920er-Jahren wurde hier eine Siedlung gegründet, um das abgelegene Patagonien politisch und wirtschaftlich stärker an Argentinien zu binden. Seinen heutigen Aufschwung verdankt der Ort fast ausschließlich dem Perito-Moreno-Gletscher – ohne ihn wäre El Calafate wohl ein unscheinbares Dorf am Rand der Steppe geblieben.
Der Name stammt übrigens von der Calafate-Beere. Einer Legende nach gilt: Wer einmal von ihr isst, kehrt nach Patagonien zurück.


Wir nahmen Abschied – und fuhren weiter Richtung El Chaltén.




Auf dem Weg nach El Chaltén – Landschaft, die trägt

Die Fahrt war – wie so oft – windig. Aber die Landschaft entschädigte uns mit jedem Kilometer:
die schneebedeckten Anden am Horizont,
Flüsse, die sich wie silberne Linien durch die Steppe ziehen,
Seen in unmöglichen Blautönen – echte Gletscherfarben.


Als wir in El Chaltén ankamen, fühlte es sich sofort anders an. Kleiner. Ehrlicher. Ruhiger. Ein Ort, der weiß, warum Menschen hierherkommen.


El Chaltén ist Argentiniens Wanderhauptstadt – und ebenfalls noch sehr jung. Erst 1985 gegründet, weniger aus touristischen Gründen als aus geopolitischen: Argentinien wollte Präsenz zeigen, nahe der chilenischen Grenze.
Der Name stammt aus der Sprache der Tehuelche und bedeutet so viel wie „rauchender Berg“ – eine Anspielung auf die Wolken, die fast immer um den Fitz Roy hängen.




Der Fitz Roy – ein Berg mit eigenem Willen

Am nächsten Tag suchten wir uns einen der klassischen Wanderwege aus.
Zuerst ging es stetig bergauf – rund drei Kilometer, die sich für Spaziergänger wie uns erstaunlich lang anfühlten. Wir waren gut in Form, aber Patagonien hat seine eigene Art, Entfernungen zu relativieren.


Die Landschaft wechselte ständig:
Aussichtspunkte mit Blick auf El Chaltén,
kühle Wälder, wie man sie bei uns kaum kennt,
windige Plateaus mit weitem Blick ins Tal,
dann wieder Wald – urig, ursprünglich, fast archaisch.


Und schließlich: Lago Capri.
Ein ruhiger See, eingerahmt von Bergen – und darüber der Fitz Roy.


Der Fitz Roy (3.405 m) ist kein besonders hoher Berg, aber einer der markantesten der Welt. Sein Granitmassiv ragt steil und fast unverschämt aus der Landschaft. Für Bergsteiger ist er eine Legende – technisch extrem anspruchsvoll, wetteranfällig, gnadenlos.
Und für Fotograf:innen? Ein Spielverderber mit Charakter.
Ich wollte ihn wolkenfrei fotografieren. Keine Chance. Der Berg entscheidet selbst, wann er sich zeigt.


Wir machten Pausen, abseits der großen Wege, gingen weiter durch immer neue Waldformen, kamen noch einmal an Aussichtspunkten vorbei – und stiegen schließlich wieder ab.
Wie viele Kilometer es waren? Zehn? Vielleicht mehr.
Es waren jedenfalls wunderschöne, abwechslungsreiche Kilometer, die Lust auf mehr machten.


Das Wetter war ein Geschenk: Sonne, kaum Wind, etwa 18 Grad – beste Bedingungen. Die Vorhersage hatte etwas ganz anderes versprochen.
Mehr Glück als Verstand.




Eintritt, Bitterkeit und ein versöhnlicher Abend

Was uns bitter aufstieß:
Seit November kostet der Eintritt in den Nationalpark 45.000 Pesos pro Person, für Einheimische 15.000. Drei Tage: 90.000 Pesos.
Für uns fühlte sich das unverhältnismäßig an. Die Wege sind gut, ja – aber der Preis hinterlässt einen schalen Beigeschmack. Es fühlt sich weniger nach Naturschutz an, mehr nach Wegelagerei.


Wir hatten an diesem Tag Glück. Die Bezahlung funktionierte nur über eine App – und diese funktionierte nicht. Beim Kontrollpunkt herrschte Chaos, viele Menschen kamen ohne Ticket zurück. Wir schlüpften mit durch.
Das gesparte Geld landete am Abend im Restaurant.
Es war ein schöner Abend.


In der Nacht kam der Sturm. Stromleitungen rissen, der Wind rüttelte an Möhre. Norberts Flug ging – also fuhren wir zurück Richtung El Calafate.
Rückenwind. Kein Problem für Möhre.
Noch einmal diese außerirdische Landschaft, in der man mühelos Science-Fiction-Filme drehen könnte.


Am Flughafen übernachteten wir ein letztes Mal gemeinsam.




Schluss – Alleine weiter

Am nächsten Morgen war es stiller als sonst.
Der Wind hatte nachgelassen, als würde auch er kurz innehalten. Norbert verschwandt im Flughafen, Möhre stand ruhig, und mit Norbert ging auch ein vertrauter Teil dieser Reise.


Ich blieb zurück.
Nicht traurig. Nicht euphorisch.
Eher wach.


Alleine weiterzufahren, fühlt sich anders an, als ich es mir vorgestellt hatte. Kein großes Gefühl, kein dramatischer Moment. Nur dieses leise Wissen: Jetzt trage ich alles selbst. Die Entscheidungen, das Tempo, die Pausen.


Ich weiß nicht, wie lange ich an einem Ort bleiben werde.
Ich weiß nicht, welche Begegnungen kommen.
Ich weiß nur, dass ich mir Zeit lassen darf.


Vielleicht ist genau das der eigentliche Luxus dieser Reise.
Nicht die Orte. Nicht die Landschaften.
Sondern die Freiheit, nichts erklären zu müssen – nicht einmal mir selbst.


Der Wind wird mich weiter begleiten.
Die Straßen auch.
Und irgendwo dazwischen beginnt etwas Neues. Still. Offen. Und ganz in meinem eigenen Rhythmus.



 

Wandern in El Chaltén – ehrliche Tipps aus Patagonien

Ausrüstung

  • Winddichte Jacke (kein „leicht windabweisend“ – richtig winddicht)
  • Zwiebellook: Funktionsshirt, Fleece, Isolationsschicht
  • Mütze & Buff – auch bei Sonne
  • Stabile Wanderschuhe (der Untergrund wechselt ständig)
  • Sonnen- & Regenschutz gleichzeitig: Sonnencreme + Regenjacke
  • Genug Wasser & Snacks – unterwegs gibt es nichts
  • Offline-Karten (Komoot, Maps.me o. Ä.)


Wetter

  • Verlass dich nie auf die Vorhersage.
  • Rechne mit vier Jahreszeiten an einem Tag.
  • Starte früh – vormittags ist das Wetter oft stabiler.
  • Wenn der Wind brutal wird: umdrehen ist keine Niederlage.


Wege

  • Die klassischen Routen (Laguna Capri, Laguna de los Tres) sind gut markiert.
  • Trotzdem: Zeit einplanen, Höhenmeter unterschätzen viele.
  • Pausen einlegen – Patagonien wirkt nach.


Mental

  • El Chaltén ist kein Ort für „mal eben“.
  • Es ist ein Ort für Geduld, Demut – und Staunen.


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Aktueller Standort der Freiheitsliebe-Reise – unterwegs mit dem LKW Möhre auf großer EntdeckungstourIrgendwo zwischen Traum und Abenteuer, auf den Straßen der Freiheit. Mit meinem treuen LKW entdecke ich atemberaubende Landschaften, begegne spannenden Menschen und lasse mich von neuen Kulturen inspirieren. Die Welt ist groß, und jede Reise birgt unzählige Geschichten, die nur darauf warten, erzählt zu werden.

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